Experimentierfeld Internet: „Wir messen und justieren“

Bilanz der DJV Tagung „Besser Online“ am 18. Oktober 2014 Berlin

Es gibt noch immer keinen Königsweg für den Onlinejournalismus, nur Experimente, die im besten Fall zu gelungenen Innovationen führen. Das ist auch 2014 das – unbefriedigende – Fazit der DJV-Tagung „Besser Online“ (#djvbo), zu der am 18.10.2014 rund 300 Journalisten aus ganz Deutschland nach Berlin kamen. Der Wandel in der Branche kommt gerade erst in Gang. Noch immer lautet Probieren statt Studieren die Devise, egal ob es um Inhalt oder Wirtschaftlichkeit geht. Die zehnte Ausgabe des vom DJV Bundesfachausschuss Online organisierten Kongresses gelang jedoch thematisch deutlich ausgewogener als in den vergangenen beiden Jahren. Unter dem Motto „Das Netz in die Hand nehmen“ diskutierten Referenten in rund 20 Foren inhaltliche Onlinekonzepte für Zeitung und Radio, verglichen Finanzierungsmodelle und stellten Lokalblogs sowie die beiden noch jungen Netzwerke www.hostwriter.org und www.torial.com für Journalisten vor.

Zu den interessantesten Beiträgen zählte das Eröffnungspodium mit Wolfgang Blau von The Guardian, der den deutschen Verlagen und Journalisten riet, lieber nach europäischen Lösungen zu suchen und sich auch im Ausland inspirieren zu lassen, anstatt immer zuerst nach Silicon Valley zu schielen. „Die Leute wenden sich nicht vom Papier als Medium ab, sondern von der Tageszeitung als redaktionelles Konzept“, betonte Blau zudem und wurde darin später auch von Stefan Plöchinger, Chefredakteur von www.sueddeutsche.de, bestätigt. Er lese im Urlaub lieber ein gedrucktes Buch, so wie viele Leute am Wochenende lieber eine gedruckte Zeitung in die Hand nehmen, meinte Plöchinger. Für das Netz jedoch gebe es kein einfaches Rezept. „Es braucht differenzierte Lösungen, jedes Blatt muss die passende finden. Auch wir messen und justieren“, sagte er. Mehr noch als in den vergangenen beiden Jahren war bei der Tagung die journalistische Qualität ein Thema. „Wenn Onliner höhere Achtung wollen, müssen sie auch besser sein“, sagte etwa Andreas Grieß von www.youdaz.com, einem Zusammenschluss von Journalisten und Medienschaffenden, die innovative journalistische Formate im Internet umsetzen.

Journalistische Qualität und mediale Innovation sind auch für die Radios das Credo. Marcus Engert vom Leipziger Radio www.detektor.fm, Ruben Jonas Schnell von www.byte.fm und Inge Seibel-Müller, Jurymitglied beim Deutschen Radiopreis, waren sich darin einig, dass Radio im Jahr 2020 im Internet personalisiert und in speziellen Sparten funken wird. Innovation heißt hier vor allem eine Alternative zum Gleichklang der traditionellen UKW-Wellen, die Marcus Engert als Hauptgrund für die gleichförmige Radiolandschaft in Deutschland ausmachte. Im Moment fehlen den Onlineradios zur unkomplizierten Verbreitung allerdings noch technische Voraussetzungen, zum Beispiel bezahlbare Endlosflatrates für Smartphones, sodass der Hörer ohne Drosselung qualitativ hochwertiges Webradio empfangen kann. „In Österreich sieht das anders aus“, sagt Engert. Er schickte zudem eine Forderung an einen Sponsor der Tagung: „Wann versteht Google endlich, was gesprochen und nicht nur, was geschrieben wird?“ Marcus Engert gehörte 2009 zum Gründungsteam von detektor.fm. Seitdem kann – auch dank eines sechsstelligen Kredits – ein Kernteam von vier Redakteuren von dem Programm aus hintergründigen Berichten und alternativer Musikmischung leben, das bundesweit rund 40.000 Hörer im Monat zählt. „Wir müssen allerdings in Kauf nehmen, dass wir nur ein halbes Jahr in die Zukunft planen können“, so Engert. Anders als bei öffentlich-rechtlichen oder privaten Sendern bleibe ihm hier viel Raum für Experimente. Das Ziel sei, jedes Jahr eine Innovation auf den Markt zu bringen.

Alle Höhepunkte der Veranstaltung werden auf der DJV-Homepage www.djv.de dokumentiert.

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